Inklusion ist Grundrecht
Inklusion ist kein „nice to have“, sondern Grundrecht
Fachtag zum Thema religiöse und religionssensible Assistenz und Teilhabe für Menschen mit Behinderung
LIMBURG.- Die freie Wahl und die Ausübung einer Religion ist ein Menschenrecht und in Deutschland durch das Grundgesetz garantiert. Wie aber lässt sich religiöse Teilhabe für Menschen mit Behinderung ermöglichen, wenn sie auf Unterstützung angewiesen sind? Darüber haben sich 30 Personen aus Pfarreien und caritativen Einrichtungen der Eingliederungshilfe bei einem Fachtag im Limburger Priesterseminar ausgetauscht. Unter anderem forderten die Teilnehmenden eine angemessene Finanzierung von Leistungen, die eine religiöse Teilhabe ermöglichen sollen. Zugleich müssten Bistum und Pfarrgemeinden inklusive Angebote in der Seelsorge ausbauen und eine ehrenamtliche Begleitung von Menschen mit Behinderung organisieren.
Religiöse Bedürfnisse in Bedarfsermittlung feststellen
Dr. Elke Groß, Referentin Teilhabe im Caritasverband für die Diözese Limburg e.V., gab einen Überblick über den rechtlichen Rahmen und das Bundesteilhabegesetz. „Ziel des Bundesteilhabegesetzes ist es, die Lebenssituation von Menschen Behinderung zu verbessern“, betonte Groß. Das Wunsch- und Wahlrecht bei Leistungen für Menschen mit Behinderung würde aber durch das Gebot von Angemessenheit und Notwendigkeit begrenzt. Wer eine Finanzierung verschiedener Leistungen religiöser Teilhabe wünsche, müsse diese in der Bedarfsermittlung feststellen, die individuell für Menschen mit Behinderung von den Kostenträgern durchgeführt wird: „Die Bedarfsermittlung ist der Dreh- und Angelpunkt im Bundesteilhabegesetz“, machte Groß klar. Die Ökonomin machte zudem deutlich, dass Religion und religiöse Teilhabe im Bundesteilhabegesetz nicht explizit oder eigens aufgegriffen würden. „Religionssensibilität ist nicht rechtsverbindlich“, sagte Groß.
Bistum arbeitet an einer inklusiveren Kirche
Dass die Arbeit an einer inklusiven Kirche drängender als je zuvor sei, betonte Susanne Gorges-Braunwarth, verantwortlich für die Kategoriale Seelsorge im Bistum Limburg. „Die Corona-Pandemie hat die Inklusion behinderter Menschen ausgebremst“, stellte die Theologin fest. Mit seinem 2015 in Kraft gesetzten Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wolle das Bistum eine „vollständige und wirksame Teilhabe an sämtlichen Vollzügen des kirchlichen Lebens für Menschen mit und ohne Behinderung“ ermöglichen. Das Thema Inklusion werde unter anderem in der Ausbildung des pastoralen Personals und durch Qualifizierung für ehrenamtliche Mitarbeitende aufgegriffen. Eine eigene Stabsstelle für Inklusion setze sich für die Umsetzung des Aktionsplans im Bistum ein und überprüfe die Fortschritte. Mit dem Limburger Brückenmodell bietet das Bistum zudem einen Ausbildungskurs zur seelsorglichen Begleitung und religiöser und religionssensibler Assistenz in Einrichtungen und Diensten der Behindertenhilfe an.
Selbstverständlich Glauben und Religion leben
Einen Blick auf die Praxis gewährten Ines Hümmerich, Leiterin Wohnen und Assistenz in der Behindertenhilfe des Caritasverbandes Westerwald-Rhein-Lahn, und Kaplan Benjamin Rinkart, Seelsorger im Vincenzstifts in Aulhausen. „Ältere Menschen in der Eingliederungshilfe haben eine Beziehung zu Religion und Kirche“, betonte Hümmerich. Die Einrichtungen der Caritas nähmen diese Bedürfnisse ernst, feierten den christlichen Jahreskreis und religiöse Feste. „Für unsere Klienten aber auch unsere Mitarbeitenden sind solche festen Punkte wichtig“, erklärte die Caritas-Mitarbeitende. Dafür sei aber eine bewusste Entscheidung notwendig gewesen und Mitarbeitende hätten zunächst sensibilisiert werden müssen. Themen wie Tod und Trauer spielten in Gesprächen der Klienten eine große Rolle. Oftmals würden sich Menschen mit Behinderung an ihre Bezugspersonen oder Mitarbeitende wenden. „Es sind nicht nur der Pfarrer, sondern auch die Mitarbeitenden, die Seelsorge betreiben“, sagte Hümmerich. Die Caritas-Einrichtung lade zudem Gemeindemitglieder zu gemeinsamen Gottesdiensten und Andachten ein.
Oftmals fehlten Personen, um Menschen mit Behinderung zum Gottesdienst zu begleiten. „Das ist keine böse Absicht, sondern der Not und dem Fachkraftmangel geschuldet“, sagte Kaplan Rinkart. Er plädierte dafür, religiöse und religionssensible Assistenz ähnlich zu finanzieren wie die Militär- oder Gefängnisseelsorge. Hier trage der Staat die Kosten, die Religionsgemeinschaften stellten die Seelsorgenden. „Inklusion ist kein nice to have, sondern ein Grundrecht“, so Rinkart.
Die Veranstaltung stand unter dem Thema „Religiöse und religionssensible Assistenz im Zusammenhang mit dem Bundesteilhabegesetz“. Zu der Veranstaltung hatte der Inklusionsrat des Bistums Limburg eingeladen. Das Gremium besteht aus Mitarbeitenden des Bistums sowie der Caritas und setzt sich für eine Förderung von Inklusion und Teilhabe in Kirche und Caritas ein.
(C. Mann)