Gänsehautfeeling im Kempf-Haus
Ungewohnte Klänge im Wilhelm-Kempf-Haus: Walzer und Disco-Fox, Klassische Musik und HipHop aus allen Räumen. Nicht reden und tagen, sondern Tanzen und Spaß haben stand am 13. und 14. Juni auf der Tagesordnung. „Tanze…Und lasse Deine Seele träumen“ lautete das Motto. Das ließen sich die rund 100 Teilnehmer mit und ohne Beeinträchtigung nicht zweimal sagen. Gleich zum Auftakt brachte die Gießener Tanzlehrerin Claudia Bäulke die ganze Gruppe professionell in Schwung, bevor es dann weiter in verschiedene Workshops ging. Dort hatten die Laien-Tänzer die Möglichkeit, sich an Ballettschritten zu versuchen, beim Zumba nicht allzu sehr aus der Puste zu kommen oder als Cheerleader zu lernen, wie man die Puscheln richtig schwingt.
„Tanz - das war auch für uns eine Premiere“, sagt Jochen Straub vom Referat Seelsorge für Menschen mit Behinderung, der die Veranstaltung in bewährter Kooperation zusammen mit Pfarrer Armin Gissel und Kornelia Marschner, beide von der Evangelischen Behindertenseelsorge in Gießen, sowie Ralf Weinert von der Evangelischen Behindertenseelsorge im St. Vincenzstift, organisiert hat. Obgleich mehrheitlich selbst Tanzmuffel, wie Straub einräumt, hatten die vier mit ihrer Idee jedenfalls einen Nerv getroffen. Ob jung oder alt, ob aus Aulhausen oder den Caritas-Werkstätten in Rotenhain, dem Konrad-von-Preysing-Haus in Frankfurt oder der Martin-Buber-Schule in Gießen: Allen Beteiligten war die Freude an Bewegung und Rhythmus anzumerken.
Gänsehautmomente mit eingeschlossen: Der Tanz des mit 70 Jahren ältesten Teilnehmers zu „Can you feel the love tonight“, er, schick in weißem Hemd und Anzug, die Partnerin im langen Kleid, rührte manch einen der Anwesenden fast zu Tränen. Im Laufe der zwei Tage rückten die unterschiedlichen Handicaps in den Hintergrund: Die hörgeschädigten Jungen und Mädchen aus der Freiherr-von-Schütz-Schule in Bad Camberg waren ebenso lebhaft dabei wie die Tanzbegeisterten mit Rollstuhl und Rollator. Was alles möglich ist, zeigte bei der abendlichen Party auch DJ Normen, der, selbst Rollstuhlfahrer, Musik mit Nase und Kinn auflegt – und das Haus bis kurz vor Mitternacht rockte.
An positiven Rückmeldungen fehlte es zum Abschluss nicht – über eine freute sich Jochen Straub besonders: Eigentlich als Unterstützung für kleinere medizinische Zwischenfälle angefragt, mischten sich die jungen Schulsanitäter der Limburger Marien-Schule zwei Tage lang unter die Teilnehmer. Gekommen, um zu helfen, stellten sie zum Abschluss fest: „Wir nehmen viel mehr mit, als wir hätten geben können.“